Selbst-Coaching Tool I – Selbstreflektierendes Schreiben

Gerne möchte ich an meinen letzten Beitrag vom 05. Mai zum Thema „Selbst-Coaching Tools für Resilienz und Selbstorientierung in der Corona-Krise anknüpfen und Ihnen heute das erste Tool vorstellen. (siehe Beitrag vom 05.Mai)

Wir schreiben in unserem Alltag unzählige E-Mails, SMS, Messenger-, Twitter und Instragram-Nachrichten und manchmal verirrt sich sogar noch ein Brief dazwischen. Wir adressieren Botschaften, Bitten, Empfehlungen, Anweisungen, Kritik usw. 

Wir beschäftigen uns in der Regel mit beruflichen Themen, managen und planen unser Privatleben, bewerten und kommentieren das, was uns Andere mitzuteilen bedürfen.

Doch, wann richten wir den Fokus ganz auf uns selbst?

Wann geben wir uns die Chance einen Moment inne zu halten, um das eigene Erleben, Verhalten und Fühlen zu reflektieren?

Jeder, der sich schon einmal die Zeit genommen hat, für sich und über sich zu Schreiben, weiß, dass das gar nicht so einfach ist. 

Insbesondere, wenn es darum geht, die eigenen physischen und psychischen Befindlichkeiten, sowie Gefühle, Ängste, Hoffnungen und Wünsche auf den Punkt zu bringen.

Dies erfordert Geduld und Übung, denn wir haben es in unserem Alltag schlicht und ergreifend verlernt in uns hinein zu Hören.

Wir funktionieren, interpretieren und bewerten so wie wir es gewohnt sind.

Unser Gehirn trifft im Alltag über 80% der Entscheidungen, ohne dass wir es mitbekommen, also unbewusst. 

Ganz auf Sicherheit, Ordnung und Risikovermeidung ausgerichtet, filtert unser Gehirn alles systematisch heraus, was nicht in unser Bild passt.

Wir sehen und hören, was wir sehen und hören wollen und konstruieren unsere eigene Wirklichkeit.

Wir nehmen wahr, was unseren Überzeugungen (Glaubenssätzen) entspricht, was unseren Erfahrungen gleicht und unsere Gedanken uns vorgeben. Man spricht hier auch von selektiver Wahrnehmung.

Was wir wahrnehmen, beeinflusst unsere Handlungen. Diese wiederum, sind verantwortlich für die Ergebnisse, die wir erzielen bzw. für die Lebenswege, die wir einschlagen.

Unser Gehirn hat auf diese Weise einen Weg gefunden, der dauerhaften Reizüberflutung zu entgehen. Statt einer Million Reize pro Sekunde, erreichen uns durch dieses Filtersystem nur noch 400 Reize pro Sekunde. Das spart Energie und ermöglicht uns eine schnelle Entscheidungsfindung. 

Gut, wenn wir uns auf unser Gehirn verlassen können und in kritischen Situationen auf unsere Instinkte und Überlebensprogramme zurückgreifen können. 

Doch wir sollten uns regelmäßig hinterfragen, ob unsere Filter auch für unseren Alltag noch zeitgemäß sind, ob Sie unserer Zielerreichung hinderlich oder dienlich sind.

Wenn Sie sich auch manchmal fragen, ob dass, was Sie jeden Tag entscheiden, tun und schlussfolgern richtig und zielführend ist, dann sollten Sie sich hin und wieder 20-30 Minuten Zeit nehmen, um in sich hinein zu Hören und alles aufzuschreiben was in Ihnen vorgeht.

Das Schreiben ermöglicht Ihnen das, was man vorher nur als flüchtigen Gedanken vor dem geistigen Auge hat vorbeirauschen sehen, auf Papier oder auf den Bildschirm zu bringen.

Seien es Ziele, Ängste, Sorgen, Wünsche, Ideen, Erfahrungen, Vorsätze, besondere Erlebnisse, Fragestellungen, Erinnerungen, Gefühle oder Überzeugungen, alles ist erlaubt.

Das Niederschreiben schützt nicht nur vor dem Vergessen, es ermöglicht ein bewusstes Erinnern und eine Reflektion in der Tiefe.

Das Schreiben versetzt Sie in eine Metaperspektive, die Ihnen ermöglicht, das Niedergeschriebene nochmals von „Außen“ zu betrachten und gegebenenfalls zu Ergänzen, zu Kürzen oder zu Präzisieren.

Das bewusste Schreiben führt zu einer wesentlich größeren Konzentration auf das Hier und Jetzt. Es verbessert die Ausdrucksfähigkeit, sodass auch für diffuse Zustände und Gefühle Worte gefunden werden können.

Tun Sie sich mit einer Entscheidung schwer, dann versetzen Sie sich in einen Bekannten, einen Freund, einen Familienangehörigen oder in Ihr Sport- bzw. Musikidol. Notieren Sie, wie diese sich an Ihrer Stelle entscheiden bzw. verhalten würden.

Erweitern Sie den Blickwinkel auf Ihre Fragestellungen, Herausforderungen, Sorgen oder Nöte und gewinnen Sie hierdurch eventuell zusätzliche Handlungsalternativen, an die Sie vorher noch gar nicht gedacht haben.

Fragen Sie sich, ob die von Ihnen empfundene Situation bzw. Herausforderung wirklich schwierig, unlösbar oder komplex ist, oder ob eine andere Betrachtungsweise möglicherweise schon die Lösung offenbart. 

Erinnern und Be-„schreiben“ Sie bewusst, wie Sie ähnliche Herausforderungen in der Vergangenheit gelöst haben und transferieren Sie Lösungsansätze für Ihre aktuelle Fragestellung.

Listen Sie konkrete Personen auf, die Sie bei der Bewältigung Ihrer Situation unterstützen können.

Fragen Sie sich, ob Ihre Überzeugungen Ihnen bei der Bewältigung aktueller Herausforderungen behilflich sind. Insofern Sie zu der Erkenntnis kommen, dass sie Ihnen im Wege stehen, dann formulieren Sie sie um, schreiben Sie sie auf und befestigen Sie diese an Orten, an denen Sie Ihnen immer wieder begegnen.

Das Schreiben eröffnet Ihnen einen tiefen Einblick in die eigene Person, in die eigene Gefühls- und Gedankenwelt und legt Ressourcen frei.

Es eröffnet Ihnen die Möglichkeit auf das zu Blicken, was bereits vorhanden ist und hieraus neue Kraft zu schöpfen.

Es unterstützt die kritische Selbstreflexion, zeigt zusätzliche Perspektiven und Handlungsalternativen auf.

Das Schreiben stärkt das eigene Selbstwertgefühl und macht Sie unabhängiger von äußeren Zuschreibungen und Manipulationen.

Legen Sie die Kontrolle des Alltags ab und lassen Sie sich beim Schreiben von sich selbst überraschen. Die Antwort auf so manche Frage ist manchmal greifbarer als wir alle vermuten.

Ihr Maximilian Weipprecht